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Orchideen-Biotope unter Druck! Was tun?

Eine Checkliste, um angemessene Schritte zum Biotop­schutz einzuleiten
(siehe auch weitere Informationen unter Praktische Informationen).

Autoren: Gottfried Grimm, Christian Gnägi, Thomas Ulrich


Vorwort

Wir finden ein schönes Wiesen-Biotop mit interessanten Orchi­deen und bemerken, dass es in Gefahr ist, sei es durch drohende Verbuschung, durch Überweidung, zu frühes Mähen oder durch Düngung.
Oder wir finden im Mittelland Orchideen in einem stark genutzten Wald. Dieser Standort ist durch Lichtmangel, Aus­holzen oder das Mähen des Wegrandes während der Vegetationszeit gefährdet.

Erste Schritte: Aufnehmen – Überlegen – Klug handeln
Zunächst verschaffen wir uns einen Überblick:
Welche Orchideen wachsen hier, wie viele, in welchem Umkreis?
Um welches Biotop handelt es sich: um ein Feuchtgebiet, eine Magerwiese, um einen Buchenwald?
Weiter überlegen wir, was der Landwirt, der Förster, die Gemein­dearbeiter sich wohl gedacht haben, als sie die Orchideen in Gefahr brachten.
Haben sie unsere Lieblingsblumen gar nicht bemerkt?

Schliesslich entwickeln wir eine kluge Strategie: Wir zeigen dem Landwirt, dem Förster, was da Wunderbares wächst und blüht. Wir klären, auf welche Weise das gefährdete Gebiet gepflegt wird. Wenn möglich schlagen wir schonendere Massnahmen vor. Vor allem denken wir daran, dass „Dreinschiessen“, „Vorwürfe machen“, „Besser wissen“ oder mit „Vorschriften drohen“ nicht zum Erfolg führen. Wir sind verständnisvolle, faire Partner, denn für Orchideen sensibilisieren können wir nur, wenn wir selber sensibel auftreten.
Wir wollen das Biotop erhalten. Was tun? Wir haben einen ersten Leitfaden erstellt, mit dem ihr aktiv werden könnt.

Die Voraussetzungen hierfür sind:
(1) Dieser Leitfaden ist ein Erstentwurf und kann durch eure Mitwirkung verbessert und verfeinert werden. Auf unserer Homepage werden der Leitfaden und die Checkliste stets auf dem neuesten Stand gehalten.
(2) Ergänzungen / Änderungen sind daher an die Web­masterin / Heftredaktion zu richten (Beate Waldeck / Thomas Ulrich)
(3) Wenn ihr im Namen der AGEO aktiv werden möchtet, so müsst ihr zuerst mit dem Präsidenten (inzwischen Beat Wartmann) Kontakt auf­nehmen. Zum einen weiss der Vorstand dann über euer Vorge­hen Bescheid, zum anderen kann euch durch den Vorstand auch Unterstützung gewährt werden.
Im Folgenden werden die Wege zum Biotopschutz aufgezeigt und die einzelnen Schritte möglichst konkret erklärt.


Naturschutzgebiet?

Es gibt NSG von nationaler, regionaler und lokaler Bedeutung (NHG Art. 4). Für alle sind die Naturschutzfachstellen der Kan­tone zuständig (NHG Art. 18a, b), wobei die Betreuung der loka­len NSG meist den betreffenden Gemeinden übertragen wird (oft Abteilung Umwelt oder Bau, Umweltfachstelle).
So werden z.B. im Kanton Aargau im Baugesetz §40 unter Natur-, Heimat-, Ortsbild- und Denkmalschutz der Kanton und die Gemeinden verpflichtet, einheimische Pflanzen und Tierarten und ihre Lebensräume zu bewahren, zu fördern oder unter Umständen neu zu schaffen (speziell Trockenstandorte, Magerwiesen, seltene Waldgesellschaften).
Spezifische NSG werden direkt von Pro Natura im Sinn eines Leistungsauftrags betreut. In diesem Fall kann die kantonale Geschäftsstelle von Pro Natura kontaktiert und das Problem mit den verantwortlichen Personen besprochen werden. Adresse unter www.pronatura.ch oder Mail an pronatura-kt@pronatura.ch (kt = Kantonskürzel z.B. für den Aargau pronatura-ag@pronatura.ch).


Wo findet man Informationen über die gesetzlichen kantona­len Grundlagen?

Mit Hilfe einer Google-Suche mit den Stichworten „Leitlinien Naturschutz“, “Leitlinien Biotopschutz“ und durch Hinzufügen des Kan­tons oder der Gemeinde kann man ausreichende Informationen erhalten. Hier ein exemplarischer Auszug:
Das Dokument Pro Natura Standpunkt „Welche Schutzgebiete braucht die Schweiz?“ findet man im rechten Infobereich  der Seite
http://www.pronatura.ch/schutzgebiete
In diesem Grundsatzpapier (2006) zeigt Pro Natura den Stand der Schutzgebiete in der Schweiz auf und weist auf diverse Prob­lematiken hin sowie auf ihr eigenes Engagement.

„Berner Naturschutz 5.2011 – Naturschutz in der Gemeinde“ fin­det man unter  
http://www.vol.be.ch/vol/de/index/natur/naturfoerderung/publikationen.assetref/content/dam/documents/VOL/LANAT/de/Natur/Naturfoerderung/PUB_LANAT_NF_13_Naturschutz_in_der_Gemeinde_de.pdf
In diesem Dokument werden die gesetzlichen Grundlagen und die Verantwortlichkeiten aufgezeigt.

Auf der Seite http://www.fr.ch/daec/de/pub/naturschutz.htm findet sich der Entwurf zum Naturschutzgesetz und die Kontaktadresse des Kantons Fribourg.

Das ausführliche Naturschutzkonzept von Basel-Stadt (2001) findet sich unter     
http://www.stadtgaertnerei.bs.ch/naturschutzkonzept_bs-2.pdf

Für den Kanton SO findet man das Waldreservatskonzept unter http://www.so.ch/fileadmin/internet/vwd/vkfaa/pdf/waldreservatskonzept_solothurn_v6.pdf
ansonsten hilft die Suche in der Gesetzsammlung http://bgs.so.ch sowie auf der Hauptseite http://www.so.ch/

Oder allgemein die Publikationen des BAFU unter http://www.bafu.admin.ch/dokumentation/index.html?lang=de
(Linksammlung erstellt Anfang März 2012)


Trockenwiese / -weide?

Trockenwiesen und Feuchtgebiete sind den NSG gleichgestellt, unabhängig von ihrem nationalen, regionalen oder lokalen Status (NHG Art. 18 und NHV Anhang 1).
Bildschirmkopie map.bafu.admin.ch
Jeder kann unter der Adresse http://map.bafu.admin.ch/ > Bundesinventare > Trockenwiesen und –weiden abklären, ob ein bestimmtes Gebiet im Bundesinventar der Trockenwiesen und –weiden erfasst ist.
Im Suchenfeld (oben) Ortsnamen oder Flurnamen gemäss der Swisstopo Karte 1:25000 eingeben. Auf dem Kartenausschnitt sind die Trockenwiesen rot gerastert.
Bildschirmkopie map.geo.admin.ch
Auch über folgenden Link http://map.geo.admin.ch > Lebensräume und Biotope >  REN Trockenstandort erhält man z.B. Angaben über die ausgewiesenen Trockenstandorte
Bildschirmkopie Infobox map.geo.admin.ch
Während der erste Link lediglich die Kernzonen aufzeigt, werden im zweiten Link neben dem Kerngebiet auch das Ausbreitungs­gebiet, das sogenannte Kontinuum und der Korridor des Tro­ckenstandortes farblich dargestellt, wie die Infobox erläutert.

Wenn das gesuchte Gebiet als Trockenstandort ausgewiesen ist, kann man auf der Gemeinde die Pflegevereinbarungen / Bewirt­schaftungsauflagen erfragen, wie z.B. Düngeverzicht, Schnittzeit­punkt usw.
Bei Flachmooren ist abzuklären, ob es sich um ein Flachmoor von nationaler Bedeutung handelt und ob die Pufferzonen bereits ausgeschieden sind. Hier unterstützen die beiden genann­ten Links ebenfalls (Stichwort ‚Hochmoore’ ‚Flachmoore’).


Dokumentation – erstes Monitoring

Um überhaupt eine Grundlage für eine Diskussion mit der Gemeinde, dem Besitzer und/oder dem Bewirtschafter zu haben, ist es unerlässlich, eine genaue Bestandesaufnahme der Flora und Fauna in dem zu schützenden Gebiet zu erstellen.
Hierbei sind natürlich die geschützten Arten (auch Rote Liste oder Liste der National Prioritären Arten – beide können auf der BAFU-Seite - siehe Link oben - bezogen werden) von zentraler Bedeutung. Eine mehrjährige Beobachtung hilft zudem, die Ver­änderungen festzustellen. Bei lokalen Naturschutzvereinen finden sich unter Umständen Kenner der Gebiete, die einem ausführli­chere Angaben zum Gebiet machen können. Diese können auch die ersten „Verbündeten“ für die späteren Gespräche sein. Auch die Besitzer/Bewirtschafter können einen Beitrag zur Kenntnis der Artenvielfalt ihrer Nutzungsgebiete leisten.


Kontakt mit der Gemeinde

Die Umsetzung der Naturschutzverordnung(en) liegt normaler­weise bei der Gemeinde. Auf der Gemeindeverwaltung kann man sich erkundi­gen, ob die Parzelle von der Gemeinde bereits geschützt worden ist und daher Bewirtschaftungsauflagen bestehen. Hier erhält man auch Aus­kunft über den Besitzer der Parzelle und wer die Parzelle bewirt­schaftet.
Es ist sinnvoll, das Thema in der Gemeinde grundsätzlich zu lancieren, vor allem wenn es verschiedene be­drohte Orchideenstandorte ausserhalb der Schutzgebiete hat. Es lohnt sich die kantonale Naturschutz­gesetzgebung wegen den Zuständigkeiten zu studieren. Im Kt. Bern sind z.B. die Gemeinden auf ihrem Gebiet für den Vollzug des Artenschutzes zuständig. Dieses grundsätzliche Vorgehen bringt den Vorteil, dass eine Finanzierung unter Umständen gesichert ist, die Massnahmen / Erfolgskontrollen koordiniert erfolgen und alle Grundbesitzer gleich behandelt werden.
Durch die Gemeinde ist die Nachhaltigkeit der Mass­nahmen garantiert, denn sie hat oft mehr Gewicht und Beziehun­gen als wir Einzelne. Unsere Rolle als Fachperson ist somit be­ratend und unterstützend (Kartierung, Vorschlag von Pflege­massnahmen, Begleitung der Massnahmen, Erfolgskontrolle).
Im Kanton Thurgau gibt es z.B. in jeder Gemeinde einen soge­nannten Schutzplan. Darauf sind Naturobjekte wie Hecken, kleine Feuchtgebiete und Hochstammobstgärten aufgeführt. Pro Natura Thurgau hat sich dafür eingesetzt, dass in diesen Schutzplänen auch extensive Wiesen als Schutzobjekte eingetragen werden. Etwa zwei Drittel der Gemeinden sind diesem Wunsch nachge­kommen. Ist eine Wiese entsprechend geschützt, so kann die Gemeinde im Rahmen des kommunalen Beitragsreglements Pflegemassnahmen finanziell unterstützen und entsprechende Pflegevorschriften erlassen.


Besitzer / Bewirtschafter - Gespräch suchen

Gespräche mit den Bewirtschaftern können gut verlaufen, so­lange man sie nicht anklagt und ihnen Vorwürfe macht.
Wenn möglich sollten dem Bewirtschafter die entdeckten Klein­ode gezeigt werden und ihm die Bedeutung einer Erhaltung des Biotops erklärt werden. Im Gespräch kann man nach Gründen für den momentanen Zustand des Biotops fragen. Weiter kann man Hinweise geben, was der Bewirt­schafter allenfalls ändern könnte.
Hier könnte die Situation kritisch werden, denn nun fordert man Aktionen des Bewirtschafters, die unter Umständen seine Zeit, Arbeitskraft oder sogar Geld kosten.
Dies ist ein Grund mehr, das Thema über die Gemeinde, bzw. Landschafts-/Naturschutzkommission anzugehen und diese Kommissionen bei den Gesprächen mit dem Bewirtschafter ein­zubinden.
Es ist unter Umständen sinnvoll, gemeinsam mit den Bewirt­schaftern/Gemeinden Lösungen zu suchen. Zum Beispiel können zur Entbuschung und zum Mähen von Parzellen, die verganden, Forstdienste, örtliche Vereine, Pro Natura und WWF Hand bieten. Aber auch Jungjäger, die Hege-Einsätze leisten müssen, Arbeitslosenprojekte, Zivildienstleistende, Firmenprojekte, Senio­rengruppen oder Schulklassen könnten in ihrer Gemeinde aktiv werden.


Weiteres Monitoring – Erfolgskontrolle

Wenn die Naturschutzvereine selbst aktiv werden oder Pflege­massnahmen ausführen, müssen die Flächen entweder vertrag­lich gesichert werden (Dienstbarkeitsvertrag) oder es soll min­destens dafür gesorgt werden, dass die Flächen im Rahmen des kommunalen Schutzplanes als Schutzobjekt ausgeschieden sind.
Unter Umständen kann ein Anmahnen von Pflegemassnahmen bzw. eine Korrektur der Pflegemassnahmen im Laufe der Jahre not­wendig werden.
Daher ist eine regelmässige Nachkontrolle des betroffenen Gebietes auf jeden Fall über mehrere Jahre hinweg notwendig. Es gibt Beispiele für Biotopsicherung in Waldgebieten, wo mit einer Dreijahreskontrolle aller Standorte - inkl. Nachführung der Kartierung - erfolgreich gearbeitet worden ist.
Im AGEO Vortrag am 14. Juni wird von Jakob & Christian Gnägi ein erprobtes Vorgehen mit den Gemeinden im Berner Mittelland vorgestellt.


Eine Checkliste zum Biotopschutz

Die Checkliste zum Herunterladen

Art des Biotops / Koordinaten des Biotops / Ausdehnung

Checkbox

 

Gemeinde / Flurname

Checkbox

Gemäss Topogr. Karte

Besonderheiten des Biotops dokumentiert

Checkbox

Extradokument mit Detailangaben zur schützenswerten Flora/Fauna

Schutzstatus abgeklärt

Checkbox

 

Kartenauszug erstellt

Checkbox

http://map.bafu.admin.ch/
oder
http://map.geo.admin.ch

Vorgaben Kanton / Gemeinde abgeklärt

Checkbox

Was ist speziell zu beachten?

Weitere Kenner des Biotops ermitteln;
Namen / Adresse; Wissen

Checkbox

Liste mit Namen und Kenntnisse zusammenstellen

Besitzer / Bewirtschafter ermittelt

Checkbox

Liste mit Namen, Nutzung des Biotops sowie, wenn bereits möglich, bisherige Pflege­massnahmen zusammen­stellen

Ansprechpartner in der Gemeinde bzw. im Kanton ermittelt

Checkbox

Liste mit Namen sowie bis jetzt vereinbarte Pflegemassnahmen zu­sammenstellen

Gespräch mit dem Besitzer / Bewirtschafter geplant

Checkbox

Eigene Vorgehensstrategie auf Grund der Dokumentation festlegen (aufzei­gen der Chancen, keine Vorwürfe)

Termin mit Besitzer / Bewirtschafter und/oder Gemeindeverantwortlichem festgelegt

Checkbox

Am besten zu einer Jahreszeit, in der man die Qualität des Biotops aufzeigen kann.

Konnten beim Treffen bereits Mass­nahmen beschlossen werden

Checkbox

Wenn ja, dokumentieren

Wenn nein am Ball bleiben u.U. weitere Treffen vereinbaren

Checkbox

Mailverkehr dokumentieren

Falls nicht durch Gemeinde / Kanton geregelt, in den nächsten Jahren Ge­biet auf Veränderungen dokumentieren

Checkbox

Austausch der Daten mit der Gemeinde; im Gespräch bleiben



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Aktualisiert 21. 02. 2019

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