AGEO Exkursion - Blankenburg Simmental, 5. Juli 2014
Autoren: Hanspeter Schlatter, Fotos: wie angegeben
Begrüssung durch Maria und Fred, Foto P. Härtsch Begrüssung, Foto T. Ulrich
Anfangs der ersten Juli-Woche liess der Wetterbericht noch Böses erahnen, am Freitag vor der Exkursion tönte es bereits etwas motivierender, und der Samstag den 5. Juli liess dann nichts mehr zu wünschen übrig: Als wir Punkt 10 Uhr am Bahnhof Zweisimmen von Maria Merz ein erstes Mal begrüsst wurden, war es trocken, und es sah ganz verheissungsvoll aus – und tatsächlich begleitete uns fast während der ganzen Exkursion die Sonne.
Da wir einen Teil des Bahnhofvorplatzes mit unseren PWs etwas verstopften, war diese erste Begrüssung nur kurz. Die mit dem Zug Angereisten – teils aus dem fernen Aargau und der Präsident sogar aus dem noch ferneren Thurgau, und Hermann und Lily Klöti per PW gar aus dem bündnerischen Trun – verteilten sich rasch auf die vorhandenen Autos, und flugs ging es die paar Minuten nach Blankenburg, dort scharf links ab und mit teils über 15% Steigung den „Betelriedgrabe“ hoch zum Parkplatz auf 1200 m.ü.M. Bereits aus dem fahrenden Auto waren die ersten Fuchs-Fingerwurze und auch andere Orchideen auszumachen. Wir stiegen aus und machten uns bereit.
Maria Merz und Fred Wälchli begrüssten uns ein zweites Mal, und sie überraschten uns mit feinen Schinkengipfeli: nun hatten wir ja auch etwas mehr Zeit. Einige hatten nach einer langen Reise verständlicherweise bereits wieder Hunger.
29 Personen waren anwesend, darunter ein grosser Teil des Vorstands. So viele Leute in dieser Umgebung zu führen, braucht gute Vorbereitung und Umsicht, und Maria und Fred machten das souverän. Klar wurden die jeweils nächsten Standorte bekanntgegeben mit Angabe, auf welcher Seite man wonach suchen soll. Und allen, die wollten, wurde ein kleiner Zettel – quasi eine Checkliste der heute möglichen Funde – ausgehändigt, auf der man die Funde auch vermerken und sonst einige Notizen machen konnte.
So wanderten wir in kleineren und grösseren Grüppchen und Gruppen bergwärts, knieten da und dort nieder, bestimmten dank Walter Lüssi und einer Lupe eine Brandorchis dank den nach aussen gebogenen Sepalen als eine ssp. aestivalis.
Orchis ustulata ssp. ustulata – Angebranntes Knabenkraut (Frühlingsform), Foto Th. Ulrich
Orchis ustulata ssp. aestivalis – Angebranntes Knabenkraut (Sommerform), Fotos Th. UlrichDas angebrannte Knabenkraut kommt in 2 Formen vor: die früher blühende ssp. ustulata und die später blühende "Sommerform" aestivalis. In höheren Lagen blühen sie jedoch oft gleichzeitig, so auch bei dieser Exkursion:
Obwohl im gleichen Biotop zur gleichen Blütezeit beobachtet sind die Unterschiede im Habitus (grundständige Blätter) sowie die Form der Sepalen deutlich erkennbar. Orchis ustulata ssp. ustulata – Angebranntes Knabenkraut (Frühlingsform), Foto Th. Ulrich
Orchis ustulata ssp. aestivalis – Angebranntes Knabenkraut (Sommerform), Fotos Th. Ulrich
Sepalen zum Helm zusammengeneigt, Foto Th. Ulrich
Sepalen nach aussen gebogen, Foto Th. Ulrich
Christian Gnägi erläutert die Geologie der Umgebung, Foto P. Hertsch Auf der Suche nach der Fliegenragwurz, Foto Th. Ulrich
In einer der ersten engen Kehren sammelten wir uns wieder. Christian Gnägi erläuterte die Geologie der Umgebung – im Wesentlichen kalkhaltige Gesteine – und machte uns insbesondere auf deren Bedeutung für die meisten der einheimischen Orchideenarten aufmerksam. Mit der mitgebrachten Salzsäure liess er einen Stein aufschäumen – der Beweis des basischen, carbonathaltigen Gesteins.
Auch wenn wir unten schon einige Fliegenragwurze gesehen hatten, hier ging es erst richtig los. Es müssen hunderte sein, die hier blühen! Bei einer Pflanze zählten wir 12 Blüten, Maria fand sogar eine mit deren 13! Und rundherum Braunrote Stendelwurz am Knospen oder Blühen, Breitblättrige Stendelwurz am Knospen, Grosses Zweiblatt, beide Waldhyazinthen, Mückenhandwurze, weiter oben auch Wohlriechende Handwurz – es war umwerfend!
Ophrys insectifera – Fliegen-Ragwurz, Foto Th. Ulrich Ophrys insectifera – Fliegen-Ragwurz, Foto Th. Ulrich
Eine prächtige Fingerwurz ... Fotos Th. Ulrich Wir trafen auf eine Fingerwurz, riesengross, wohl gegen 1 m, Blütenstand gut 15 cm lang und viele grosse Laubblätter, die grössten wohl über 20 cm lang und über 5 cm breit. Der erste Eindruck war klar: Fuchs-Fingerwurz. Und die übliche Diskussion begann, ob da noch etwas anderes mitgemischt hat; aber wenn ja: was? Und an anderer Stelle war inmitten einiger Fuchs-Fingerwurze in Vollblüte eine bereits vollständig verblühte ähnliche Pflanze; ob es auch eine Fuchs-Fingerwurz war? Wir wissen es nicht. Eine zarte Fingerwurz ... Fotos Th. Ulrich
Ein Dactylorhiza-Hybrid, Foto Th. Ulrich
Dact. fuchsii x incarnata, Foto Th. Ulrich
Und schliesslich fand Jakob Gnägi einen Hybriden, der im Nachhinein von Ruedi Peter als Mischung von Fleischfarbener und Fuchs'scher identifiziert wurde.
Der erwähnte Hybrid, der im AGEO-Forum zur Diskussion stand
http://www.ageo-forum.ch/index.php/forum/dactylorhiza/54-welcher-dactylorhiza-fuchsii-hybrid
und zu folgendem Ergebnis führte:
"Ein Hybrid von Dactylorhiza fuchsii und Dactylorhiza incarnata. Auf D. incarnata weisen die an der Blattspitze kapuzenförmig geformten Blätter, die helle Blütenfarbe, die feine Schleifenzeichnung und die fast ungefleckten Blätter."
Wir haben an der Exkursion zwar viele Orchideen gesehen, aber Dact. incarnata haben die meisten nicht gesehen. Die nächste bekannte Dactylorhiza incarnata-Fundstelle ist einige Kilometer entfernt.
Was wieder einmal bestätigt:„Orchideen können sich sehr weit verbreiten, Orchideensamen können weit fliegen“.
Herminium monorchis - Einorchis Biotop mit mehr als 60 Einzelpflanzen auf diesem Bild, Foto Th. Ulrich Kleine Rosetten von Herminium monorchis - Einorchis, Foto Th. Ulrich Stattliche Gruppe an Herminium monorchis – Einorchis, Foto Th. Ulrich Herminium monorchis – Einorchis, Foto Th. Ulrich
Und das hier soll die spannende Stelle mit den vielen Dutzend Honigorchis (anderer Volksnamen für Einorchis) sein? Wenn man aber den Blick hat, wie ihn die drei Teilnehmer auf der Foto haben, zeigen sich viele Dutzend Honigorchis, ein paar Brandorchis – ein wundersamer Ort! Was, wenn sich der Misthaufen nächstes Jahr an der anderen Seite befindet? Foto HP Schlatter Mittagsrast abseits der Orchideen, Foto Th. Ulrich Bald war es Mittag, und wir trafen am von den Organisatoren bestens erkundeten Ort ein, wo wir Mittagsrast hielten. Und hier, an der Weggabelung bei P. 1345, mit Misthaufen, da blühten auch die sehnlichst erwarteten Honigorchis – viele Dutzend der wunderbar riechenden Pflanzen blühten nahe der Strasse auf wenigen Quadratmetern. Es war schwierig, dort durch zu gehen, ohne eine zu zertreten; so machte uns Maria mehr als einmal darauf aufmerksam, dass wir sie vom Wegrand aus betrachten sollen. Es geht vor allem auch um die kleinen Rosetten jener Pflanzen, die dieses Jahr nicht geblüht haben, die überall zerstreut um die blühenden Pflanzen zu entdecken sind, wenn man denn sehr genau hinschaute.
Und dann gab uns Göpf, wenn wir schon alle zusammen waren, Erläuterungen zum Kartieren für die Datenbank und motivierte uns, da mitzumachen. Je mehr sich beteiligen, desto besser. Und bald war natürlich das Thema auch bei den Biotopen. Es ergab sich eine angeregte Diskussion; wie können wir ein „Quellmoor“ von einem „Hangmoor“ unterscheiden, was ist eine „Bergweide“, was eine „artenreiche Heuwiese“? Hier braucht es schon einige Kenntnisse, die nicht „einfach so“ als Voraussetzung angenommen werden können. Aber – und da war man sich, wie ich es wahrnahm, einig, und das ist mit den modernen Mitteln wie GPS auch keine Hexerei mehr – das Wichtigste ist zweifellos eine möglichst exakte Angabe der Koordinaten und der Höhe. Und insbesondere bei kleinen unscheinbaren Arten sind im Feld „Angaben zum Fundort“ noch Präzisierungen wie „hinter dem grossen Stein“ oder „4 m südl. des Weges in der bergseitigen Böschung“ usw. sehr wertvoll; auch bei auffälligeren Arten ist das natürlich nützlich, wenn man sie suchen will, wenn sie nicht blühen. So ist das Auffinden für Dritte – aber auch für einen selber, wie wohl viele aus eigener Erfahrung wissen – oft viel einfacher, ja teils erst möglich.
Nach der Mittagsrast stiegen wir wieder in langsameren und schnelleren Gruppen weiter hoch, und immer wieder gab es neue Überraschungen: eine zweite Stelle mit einigen Honigorchis, eine grosse Gruppe Roter Waldvögelein, einige Riesenexemplare Kugelorchis, die von weitem eher wie hochgeschossene Alpendisteln aussahen, und auch hoch gewachsene Höswurze, wie ich sie noch kaum je gesehen hatte. Alles am Wegrand, einfach so … Einige meldeten den Fund von Breitblättriger und unter Umständen Fleischfarbener Fingerwurz.
Die vorderste Gruppe strebte gegen die „Fromatt“, doch ein Blick auf die Uhr gemahnte zur Rückkehr. Immerhin: für ein paar Minuten Suche nach der Korallenwurz musste Zeit sein. Und wir fanden sie auch bald auf 1520 m.ü.M, dem höchsten Punkt der heutigen Exkursion an typischer Lage unter Fichten. Auch wenn die paar Exemplare schon am Abblühen waren, die Freude war gross.
Traunsteinera globosa - Kugelorchis, Foto Th. Ulrich Pseudorchis albida - Weisszunge (Höswurz), Foto Th. Ulrich
Auch beim Abstieg gab es noch einiges zu sehen, ein letztes verblühtes Mannsknabenkraut, immer mal wieder eine blühende Brandorchis, verblühender Nestwurz. Und dann wenig oberhalb der Stelle, wo wir Mittagsrast gehalten hatten, passierten wir ein kleineres Hangmoor (oder Übergangsmoor, oder im oberen Teil doch eher Quellmoor …?) – hm, jedenfalls eine nasse Wiese, in der man einen Schuh voll rausziehen kann, wenn man sich unvorsichtig den roten Fingerwurzen nähert: und nach der Biotopfrage nun die Fingerwurzfrage: sicher keine Breitblättrige, keine Fuchs’sche, keine Fleischfarbene oder Blutrote – also entweder eine Traunsteiner‘sche oder Lappländische, von beiden einige typische Eigenschaften, einige nicht – und wie fast immer: wir konnten uns nicht sicher einigen; vermutlich „Zwischenformen“
Wenig später trafen alle wie vereinbart pünktlich um 15:30 beim Parkplatz ein, damit der 16 Uhr-Zug ab Zweisimmen erreicht werden konnte. Es hiess Abschied nehmen.
Ich möchte an dieser Stelle zweifellos im Namen aller Maria und Fred für die erstklassige Vorbereitung und Durchführung dieser prächtigen Exkursion herzlich danken, Christian und Göpf für ihre Beiträge unterwegs, aber auch all den zahlreich angereisten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die eine doch teils sehr lange Reise auf sich genommen haben, um einmal in unserer Gegend an einer Exkursion teilzunehmen.
Liste der sicher und vermutlich identifizierten Orchideenarten – gegen 20 Arten (ohne Hybride):
Art | Anzahl | Zustand |
Cephalanthera rubra | einige Dutzend | blühend |
Corallorhiza trifida | eine Handvoll | verblüht |
Dactylorhiza fuchsii | einige Hundert | blühend |
Dactylorhiza incarnata | einige (?) | blühend |
Dactylorhiza lapponica | ? (ein Dutzend) | blühend |
Dactylorhiza majalis | einige (?) | blühend |
Dactylorhiza traunsteineri | ? (ein Dutzend) | blühend |
Epipactis atrorubens | einige Hundert | aufblühend |
Epipactis helleborine | einige Dutzend | knospend |
Gymnadenia conopsea | einige Dutzend | aufblühend |
Gymnadenia odoratissima | einige | aufblühend |
Herminium monorchis | über 100 | blühend |
Listera ovata | viele Dutzend | blühend |
Neottia nidus-avis | einige | abblühend |
Ophrys insectifera | einige Hundert | abblühend |
Orchis mascula | ein Ex. | verblüht |
Orchis ustulata subsp. aestivalis | einige | aufblühend |
Orchis ustulata subsp. ustulata | einige Dutzend | blühend |
Platanthera bifolia | viele Dutzend | abblühend |
Platanthera chlorantha | eine Handvoll | blühend |
Pseudorchis albida, sehr grosse Exemplare | eine Handvoll | blühend |
Traunsteinera globosa, sehr grosse Exemplare | ein Dutzend | blühend |
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Aktualisiert 12. 10. 2014