2006/07 - Jahr der Hummel-Ragwurz
Ophrys holoserica (Burm.f.) Greuter
Beschreibung der Pflanze | |
Synonyme: | Ophrys fuciflora (F.W.SCHMIDT) MOENCH; Ophrys arachnites (SCOP.) REICHARD; Ophrys holosericea (N.L.BURM.) W.GREUTER. |
Etymologie: | phrys = Augenbraue; holoserica, holosericea, holosericeus = dicht seiden-haarig; fuciflora, fuciflorus = hummelblumig. |
Unterirdische Teile: | Zwei Wurzelknollen (Reserveorgan), ältere ± runzelig, jüngere kurz
gestielt, prall, rundlich bis eiförmig, relativ gross (bis 1.5 x 2.5 cm). Jeder Spross entwickelt an seiner Basis einige fadenförmige Wurzeln sowie 2-4 Schuppenblätter zwischen dem untersten Laubblatt und den Knollen. |
Blätter: | Grundständige Laubblätter 4-7, lanzettlich, 4-10 cm lang, 1-2.5 cm
breit, bläulich grün. Diese erscheinen im Spätherbst oder Winter als Rosette. In blühendem Zustand, nebst Grundblättern, 2-3 scheidige Stängelblätter, das oberste den Stängel mehr oder weniger umfassend. |
Blütenstand: | 10-30 (40) cm hoch, 2-10-blütig, lang gestreckt, leicht einseitswendig. |
Brakteen: | Krautig, einwärts gerollt, grün; die unteren länger als die Blüten, die oberen etwa gleich lang. |
Blüten: |
Relativ gross (2.2-2.7 cm hoch, 1.8-2.5 cm breit). Perigon rosa bis rotviolett oder auch weiss, selten grün. Sepalen länglich-eiförmig, aufwärts bzw. seitwärts bis etwas rückwärts gerichtet, mit ± ausgeprägtem grünem Mittelnerv. Petalen hellrosa bis dunkelrot oder weiss, auch weisslich grün mit Rot am Grunde, dreieckig bis länglich lineal (3-6 mm lang), behaart, geöhrt. Lippe hell- bis dunkelbraun, mehr oder weniger trapezförmig, leicht bis kräftig konvex gewölbt, ungeteilt bis dreilappig, kurz samtig behaart, meist mit ± ausgeprägten grünlichen Höckern. Mal das Basalfeld umfassend, sehr variabel, gräulich violett oder braunviolett, weiss oder grünlich umrandet, selten nur rudimentär ausgebildet oder H-förmig, oft reich gegliedert. Anhängsel relativ gross, gelb oder grünlich, vorwärts bis aufwärts gerichtet, ein- bis dreispitzig. Konnektivfortsatz ziemlich kurz, meist in gerundeter Spitze endend. |
Bestäubung: | Gemäss Literaturangaben durch Langhornbienen, Bienenfliegen und diverse Blatthornkäfer. Ob hie und da Selbstbestäubung möglich ist, ist nicht zweifelsfrei erwiesen. |
Blütezeit: | Mai - Juni (CH), etwas unterschiedlich je nach Höhenlage, Exposition und Biotoptyp eines Fundortes. |
Lebensräume: | Trockenrasen, Kalk-Magerrasen, sonnige buschige Hänge, extensiv genutzte
Weiden; grasige Dämme oder Strassenböschungen und alte Kiesgruben (Sekundärstandorte).
Auch helle Föhren-Eichenwälder, Waldwiesen, hie und da trockenere Stellen in Feuchtwiesen. Vom Tiefland bis gegen 1400 m ü.NN. Besiedelt hauptsächlich mässig trockene bis wechseltrockene, kalkreiche, humose, lockere Lehmböden. Starke Bindung an Kalkgebiete. |
Verbreitung: | Mittel- und Westeuropa (bis Südostengland), Mittelmeergebiet,
Kleinasien, (Nordafrika = Libyen). Fehlt in der Schweiz in fast ganz Graubünden und dem Nordtessin, dem südlichen und östlichen Wallis sowie im Aar- und Gotthardmassiv. |
Häufigkeit: | Früher ziemlich verbreitet in Gebieten mit entsprechendem Bodentypus
und extensiven Bewirtschaftungsmethoden. Heute stark zurückgedrängt und wegen vieler Biotopverluste recht selten geworden. Nur noch sehr lokal in grösseren Beständen auftretend. |
Gefährdung: | Wegen Überbauung, Düngung und Übernutzung noch existierender Wuchsorte, aber auch mangels Pflege und arterhaltender Nutzung von besiedelten oder potentiellen Standorten. |
Hybriden: | Mit Ophrys apifera, O. araneola, O. insectifera und O. sphegodes. |
Besonderheiten: | Alle Blüten einer Pflanze besitzen so etwas wie eine eigene, spezielle
Identität. Sie unterscheiden sich meist klar sichtbar von denen der benachbart wachsenden Exemplare,
so dass fast kein Individuum gleich wie das andere ist. O. holoserica entwickelt unter gewissen Bedingungen hie und da sehr hochwüchsige Pflanzen (z.B. bei Vorkommen in relativ schattigem Auenwald). Trotzdem handelt es sich hier nicht um die Ophrys elatior (O. tetraloniae), die wesentlich später als O. holoserica blüht. Ophrys elatior kommt in der Schweiz nach heutigem Wissensstand nur im Tal des Allondon bei Genf vor. O. holoserica muss in blühendem Zustand (oder im Vorfrühling als Blattrosette) gesucht werden. Später sind fruchtende Exemplare an Stellen mit reicher Begleitflora nur noch schwerlich zu finden und zu identifizieren. O. holoserica treibt schon im Spätherbst / Winter Blattrosetten aus, sodass diese im Frühjahr vor dem Einsetzen des Wachstums der Begleitflora meist problemlos beobachtet werden können. Verwechslungsmöglichkeiten wahrscheinlich nur mit O. araneola, O. apifera oder O. sphegodes, vielleicht noch mit Orchis ustulata-Rosetten, die jedoch einen rötlichen Blattrand besitzen. Eine Nachkontrolle zur Blütezeit ist aber empfehlenswert. |
Zusatzinformationen: | In Anbetracht der vielen ausgewerteten, das heisst mit provisorischen
Koordinaten versehenen alten Literaturzitate (oft nur Gemeindenamen ohne Flurbezeichnung), beschlossen
wir, O. holoserica über zwei Jahre zu bearbeiten (2006 und 2007). Damit soll ermöglicht werden,
vorerst einmal abzuklären, ob im fraglichen Gebiet überhaupt noch "holoserica-trächtiges"
Gelände existiert. (Es ist zu beachten, dass provisorische Koordinaten meist nur auf Grund des
Landkartenbildes eingesetzt wurden, also willkürlich und ohne gesicherte Fundortangaben sind).
Die konkrete Überprüfung wäre dann zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Blüte
vorzunehmen. Wenn von diesen alten Angaben einige aktualisiert werden könnten, so wäre dies bereits ein Erfolg. Wir sind uns aber bewusst, dass wahrscheinlich eine grössere Zahl dieser früheren Vorkommen infolge Überbauung, Intensivnutzung oder "Melioration" der ehemaligen Wuchsstellen unwiederbringlich verschwunden sind. |
Ruedi Irniger, Walter Schmid
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Aktualisiert 26. 03. 2009
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