2013/2014 Jahr der Fliegen-Ragwurz
Ophrys insectifera
L.
Fotos: Thomas Ulrich (Biotop, Habitus) und Guido Viel (Einzelblüte) |
Synonyme: | Ophrys muscifera Hudson Ophrys myodes Jacquin |
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Etymologie: | lat. insectifera, -um, -us = Insekten-tragend (Kerbtiere) lat. muscifera, -um, -us = fliegentragend lat./gr. myodes (lt. Voss (1922) fälschlich) = myiodes = fliegenähnlich (myodes, myoides = mäuseähnlich. gr. mys, Genitiv myos = Maus, myodes = mausartig) |
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Unterirdische Teile: | Zur Blütezeit mit zwei unterirdischen, rundlichen bis ovalen, meist ungestielten, relativ kleinen Knollen. Vom Stängelansatz abgehend 4-6 ± horizontal oder etwas abwärts orientierte, dickliche Wurzeln. | |
Stängel u. Blätter: | Aus der winterlichen Blattrosette spriesst 15-50 cm hoch ein ziemlich dünner, gelblich oder bläulich grün gefärbter Stängel. Über der Knolle sitzen 1-2 Schuppenblätter, darüber 2-4 (5) grüne oder bläulich grüne Laubblätter mit etlichen dunkleren, parallelen Nerven, die am Grunde meist nicht mehr rosettenartig gehäuft angeordnet sind. Sie sind länglich-lanzettlich, 6-9 cm lang und 1.2-3 cm breit, ± steil aufwärts gerichtet, die oberen zugespitzt, das oberste hochblattartig, den Stängel teilweise umfassend, die unterste Blüte nicht erreichend. | |
Blütenstand: | Meist sehr locker und langgestreckt (5-17 cm lang) mit (2-4) 5-10 (-20) beschränkt einseitswendig eng am Stängel angeordneten Blüten. | |
Blütenstand: | Eiförmig, relativ breit, dicht- und reichblütig (bei starken Pflanzen, bei schwachen Exemplaren auch blütenarm). | |
Brakteen: | Grün, die unteren wesentlich, die oberen etwas länger als die speziell im oberen Bereich gebogenen Fruchtknoten. Diese sind von den Brakteen nur im Knospenzustand mehr oder weniger umfasst, später nur noch im basalen Sektor. Sonst steil aufwärts gerichtet mit stark eingerollten Rändern, hauptsächlich im apikalen Abschnitt. | |
Blüten | 1-1.4 cm breit, 1.4-1.8 cm lang, spornlos. Sepalen blass grün, 6-8 mm lang, 2-3.5 mm breit, verlängert löffelförmig (konkav), die seitlichen etwas nach vorne gebogen, meist mit ± ausgeprägt gerundeten äusseren Enden, das mittlere Sepalum ist mehr aufwärts gerichtet (nie zurückgeschlagen), oft mit kapuzenförmiger Spitze. Petalen linealisch, schräg aufwärts und nach vorne gerichtet, etwa 2/3 der Sepallänge einnehmend, dunkelbraun, kurz samtig behaart, mit stark eingerollten Rändern, somit fast fadenartig aussehend. Lippe braun oder schwarzbraun, seltener rostfarbig, sehr selten gelblich grün, tief dreilappig, 12-15 mm lang, partiell kurz samthaarig. Der breite Mittellappen tief eingebuchtet, fast zweilappig wirkend (ohne Anhängsel), in der apikalen Zone manchmal heller gefärbt (gelblich bis orange). Die Seitenlappen ± schräg abwärts gerichtet, relativ schmal, mit gerundeten äusseren Enden. Mal flächig, unterschiedlich gross, mit sehr variabler Umrissform. In der Regel bleifarbig, graublau oder bläulich-violett, seltener rötlich-violett. Basalfeldpartie leicht vorgewölbt, meist sehr dunkel gefärbt, mit am Grunde beidseits je einer kleinen, leicht glänzenden Schwiele. Säule schräg aufwärts nach vorne orientiert, oben gerundet (ohne Fortsatz). Staubbeutel meist kräftig orange bis rostfarbig mit zwei getrennten, ausgeprägten, perlenähnlichen Klebkörpern (Viscidien) mit Beutelchen (Bursiculae). | |
Bestäubung: | Laut diversen Literaturquellen von Dipteren (Zweiflüglern) und Hymenopteren (Hautflüglern), Fliegen, Wespen; (jedoch nicht von Bienen und Hummeln). Fruchtansatz relativ schwach, zwischen 3% und 35%. | |
Blütezeit: | Ende April (Anfang Mai) bis Mitte (Ende) Juli, je nach Fundstellensituation, allgemeiner Vegetationsentwicklung und Höhenlage des Fundortes. | |
Lebensräume: | Halbtrockenrasen, trockene Magerrasen, steinige, stabilisierte Rutschhänge, Gebüsch, lichte Föhrenwälder, Nasswiesen, seltener Flach- oder Hangmoore. (300) 400-2000 (2100) m NN. Nur auf Kalk-, Dolomit- und Mergelböden. Auch an Sekundärstandorten (Weg-, Strassen- oder Flussböschungen, aufgelassenen Kiesgruben, Rutschungen). |
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Verbreitung: | Europäisch: südliches Skandinavien, Mitteleuropa bis NW-Russland, nördliche Gebiete von Südeuropa (hier nur in höheren Lagen). Länder: Schweden, Norwegen, (Süd)-Finnland, England, (Süd)-Irland, Dänemark, Deutschland, Holland, Belgien, Luxemburg, Frankreich (ohne Westen), (Nord)-Spanien, Schweiz, Liechtenstein, Italien (ohne Sardinien und Sizilien), Österreich, Bosnien, Kroatien, (Nord)-Griechenland, Rumänien, Ungarn, Tschechien, Polen, Lettland, Estland, Russland (im Nordwesten bis Onega-Karelien und weiter durch Mittel- und Südrussland bis in die Nähe Moskaus). |
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Häufigkeit: | Verstreut, fehlt in Lagen über 2000 m und in Gebieten, wo keine kalkhaltigen Bodenstrukturen vorhanden sind (gilt für ganzes Verbreitungsgebiet). Ist in weiten Teilen des Mittellandes vom Hallwilersee bis zum Genfersee verschollen oder nur noch an wenigen Fundstellen nachgewiesen. Selten und nur sehr lokal noch in grösseren Beständen anzutreffen, so z.B. im oberen Teil des Goldauer Bergsturzes. | |
Gefährdung: | Erheblich, ist sie doch in vielen Gebieten eine Rarität. Die Problematik ist ähnlich wie 2006 bei Ophrys holoserica beschrieben: gefährdet wegen Überbauung, Düngung oder sonstiger Übernutzung, aber auch mangels arterhaltender Pflege von bestehenden oder potenziellen Wuchsorten. Eine spezielle Problematik stellt das viel zu frühe Mähen von Weg-, Strassen- und Bahnböschungen dar, die noch vor wenigen Jahren als Ausweichstandorte von verschiedenen Pflanzen unter anderem auch Ophrys insectifera dienten. Mit der heute gängigen „Pflege“-Praxis können sich die Pflanzen kaum mehr halten und eine Samenproduktion ist praktisch ausgeschlossen! | |
Hybriden: | Bei uns sind Kreuzungen nachgewiesen mit Ophrys araneola, Ophrys holoserica und Ophrys sphegodes. Weitere gemeldete Kombinationen ausserhalb der Schweizer Grenzen sind: Ophrys apifera x insectifera, Ophrys aymoninii x insectifera, Ophrys insectifera x scolopax, Ophrys benacensis x insectifera, Ophrys insectifera x passionis, Ophrys bertolonii x insectifera, Ophrys insectifera x saratoi. | |
Besonderheiten: | Ophrys insectifera gehört zur Gruppe der Sexualtäuschblumen, der fast alle Ophrys-arten angehören. Die Blüten produzieren Imitationen weiblicher Sexualduftstoffe bestimmter Insektenarten, um damit zugehörige Männchen anzulocken. Diese versuchen dann mit der Blüte zu kopulieren und erhalten so meist eines oder beide Pollinien am Kopf (oder bei einigen Arten Abdomen) angeheftet. Beim Besuch einer anderen Blüte wird dann PolIenmaterial auf die Narbe übertragen, also eine Bestäubung vollzogen. Lippenform, -zeichnung und -behaarung sind weitere wichtige Faktoren für eine erfolgreiche Funktion solch exklusiver Bestäubungsmechanismen. Die Blüten einiger Ophrys-Arten sollen sogar auf nur eine einzige bestimmte Bestäuberinsektenart spezialisiert sein. |
Pflanzenbeschrieb mittels Beizug diverser Literaturquellen sowie Konsultation des persönlichen Dia-Materials.Walter Schmid
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Aktualisiert 19. 02. 2013
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